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Fund der Gerichtsakten zum Horst-Wessel-Prozess

Von Ralf Blum

Bei den Recherchen zu einem Forschungsantrag wurden in der archivierten MfS-Ablage der BStU die seit Langem verschollenen Akten zum Prozess in der Totschlagssache Horst Wessel aufgefunden. Die Unterlagen dokumentieren das strafrechtliche Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, das im Jahre 1930 vor dem Berliner Landgericht stattfand.

Horst Wessel war SA-Sturmführer in Berlin und wurde am 14. Januar 1930 von einem Mitglied des kommunistischen Rotfrontkämpferbunds in seiner Wohnung mit einem Schuss ins Gesicht niedergestreckt. Er verstarb wenige Wochen später.

In der Folge schuf Goebbels den NS-Mythos Horst Wessel; das "Horst-Wessel-Lied" wurde zur Hymne der NSDAP.

Die Unterlagen bestehen aus etwa einem Dutzend Gerichts- bzw. Handakten und Bänden mit Gnadengesuchen. Die Laufzeit der Bände reicht bis in den Anfang der 1940er Jahre.

Unklarheit besteht noch über den Weg, auf dem die Unterlagen in die Hände der Staatssicherheit gelangten. Offenbar waren sie bereits Ende der 1940er Jahre aus der Registratur der im britischen Sektor in Moabit ansässigen Berliner Staatsanwaltschaft in den sowjetischen Sektor gelangt – jedenfalls enthält das Deckblatt eines der Aktenbände des Vorgangs einen entsprechenden Vermerk, in dem die Gerichtsunterlagen als "abzuliefernde Forschungssache" bezeichnet werden.

Möglicherweise erfolgte diese Transaktion im Rahmen der damals noch bestehenden Zusammenarbeit bei der "NS-Aufarbeitung" zwischen den West-Alliierten und der sowjetischen Besatzungsmacht.

Die Akten wurden jedenfalls nicht an die Berliner Staatsanwaltschaft zurückgegeben, sondern landeten später beim MfS, wo sie nach formalen Kriterien unter ihrem ursprünglichen Aktenzeichen der Berliner Staatsanwaltschaft von 1930 dem Archivbestand "Akten der Staatsanwaltschaften" (ASt) zugeordnet wurden.

Abgesehen von den auf einigen Aktendeckeln handschriftlich aufgetragenen formalen Vermerken weisen die Dokumente keine Bearbeitungsspuren des MfS auf.

Daher hat die BStU diese Unterlagen an das für die Provenienz "Staatsanwaltschaft Berlin" zuständige Landesarchiv Berlin am 22. Mai 2008 übergeben.

Ralf Blum

28. Mai 2008