Todesschüsse an der Mauer
Das Verlangen vieler Bürger, die DDR für immer zu verlassen, war ein unlösbares Problem für die SED-Diktatur, das im Herbst 1989 wesentlich zu ihrem Sturz beitragen sollte. Die Brutalität der Verhältnisse an der innerdeutschen Grenze wurde deutlich an den Todesopfern, die sie forderten. Am 5. Februar 1989 wurde an der Berliner Mauer erneut ein Flüchtling erschossen, der 20jährige Chris Gueffroy. Das löste in West und Ost Empörung aus, auch weil es der neuen Entspannung in den Beziehungen zwischen den beiden Blöcken eklatant widersprach. Honecker, der politisch ohnehin durch die Gorbatschow-Politik geschwächt war, kam so unter Druck, dass er sich zu einer einschneidenden Veränderung des Grenzregiments gezwungen sah: Der Schießbefehl wurde faktisch aufgehoben. Tatsächlich war Chris Gueffroy der letzte DDR-Bürger, der Todesschüssen an der Mauer zum Opfer fiel.
Die Weisung Honeckers, den Schießbefehl aufzuheben, erfolgte mündlich, in einem Gespräch mit Egon Krenz, dem ZK-Sekretär für Sicherheit. Krenz hat darüber am 2. April 1989 den stellvertretenden Verteidigungsminister, Generaloberst Strelitz, informiert. Der wiederum setzte die verantwortlichen Befehlshaber von Grenztruppen und Nationaler Volksarmee in Kenntnis.