Reformen in den Warschauer-Pakt-Staaten
Dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen im eigenen Lager isolierte, war schon seit Monaten zu erkennen (vgl. Januar 1989 und 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie tröstete sich aber mit dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, man könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle "Solidarność" bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Die Staatssicherheit berichtete darüber:
- ZAIG: Information über den Verlauf des 1. Wahlgangs der Wahlen in Polen am 4. Juni 1989
- ZAIG: Zum 2. Wahlgang in Polen am 18. Juni 1989
Ursprünglich war die Hoffnung von SED und Staatssicherheit, dass die polnischen Kommunisten das Ruder noch einmal herumreißen würden. Dass diese Erwartung illusorisch war, machte auch der ZAIG-Bericht "über aktuelle Probleme der Lageentwicklung in sozialistischen Staaten" deutlich.
Geduldet von der Sowjetunion wurde dann im August 1989 mit Tadeusz Mazowiecki erstmals ein Nichtkommunist zum Ministerpräsidenten der Volksrepublik Polen gewählt.
Für die ungarische Politik waren ebenfalls einige Tage im Juni 1989 entscheidend: Am 13. Juni wurden Verhandlungen zwischen Regime und Opposition am Runden Tisch begonnen. Am 16. Juni fand die feierliche Umbettung der sterblichen Überreste von Imre Nagy, dem 1958 erschossenen Ministerpräsidenten, aus einem Massengrab statt. Damit wurde die gescheiterte ungarische Revolution von 1956 offiziell rehabilitiert.