Über Schlupflöcher im Eisernen Vorhang schmuggelte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unbemerkt Dokumente, Agenten und Sonderkommandos zwischen Ost und West hin und her. Der Geheimpolizei stand dafür ein ausgeklügeltes System an "Grenzschleusen" zur Verfügung, die sich gut versteckt in dichten Wäldern und an abgelegenen Orten befanden. In den überlieferten Unterlagen sind sie sehr detailreich beschreiben.

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[In den Grenzsicherugsanlagen wurden Kfz-Sperrgraben und Grenzzaun fotografiert. Da das Schlupftor im unteren Drittel des Grenzzauns nicht zu erkennen ist, wurde es mit Bleistift extra eingezeichnet, die beiden umgebenden Zaunpfeiler wurden mit rotem Filzstift nachgemalt.

Agentenschleusen zwischen Ost und West

Über Schlupflöcher im Eisernen Vorhang schmuggelte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unbemerkt Dokumente, Agenten und Sonderkommandos zwischen Ost und West hin und her. Der Geheimpolizei stand dafür ein ausgeklügeltes System an „Grenzschleusen“ zur Verfügung, die sich gut versteckt in dichten Wäldern und an abgelegenen Orten befanden. In den überlieferten Unterlagen sind sie sehr detailreich beschreiben.

In den frühen 50ern war es noch üblich, dass die einzelnen Diensteinheiten der Staatssicherheit ihre Agenten in Eigenregie über die Grenze schmuggelten. Dadurch sollte deren Sicherheit gewährleistet werden. Später gingen die so genannten "Operativen Grenzschleusen" (OGS) in den Verantwortungsbereich der Hauptabteilung I (Überwachung der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen) über. In einigen Fällen wurden diese auch durch die Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung, Durchsuchung, Festnahme) und dem Auslandsgeheimdienst Hauptverwaltung A genutzt, mussten aber vorher jeweils bei der HA I beantragt werden.

Verdeckte Tore im Grenzzaun

Es gab verschiedene Möglichkeiten, die innerdeutsche Grenze zu überwinden. Eine war die Benutzung eines verdeckten Tores im Grenzzaun, das sich mit wenigen Handgriffen öffnen ließ. Der Weg zu diesen "operativ-technisch abgesicherten Grenzübergangsstellen" durch den Grenzstreifen war mit in den Boden eingelassenen "Rundeisen" gekennzeichnet. Während diese Form von Grenzschleuse hauptsächlich dazu diente, um Treffen zwischen Agenten und ihren Führungsoffizieren zu ermöglichen, wurden über sogenannte "Wurfschleusen" Dokumente, Tonbänder oder Filmdosen ausgetauscht.

Vom Fahrweg der Grenzsicherungsanlagen aus aufgenommenes Foto eines kleinen Gitters unten im Grenzzaun. Dieses unscheinbare wird durch die hohen Gräser fast verdeckt und erst auf den zweiten Blick wahrgenommen.

Einsatz von Grenz-IM

Bei der Durchführung und Absicherung von Schleusungen wurden IM eingesetzt (Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz (IME)/Grenze, Grenz-IM, Schleuser). Sie wickelten den Schmuggel von Agenten und Dokumenten ab und beschafften Stadtpläne, Landkarten, Telefonbücher und Zugverbindungen aus dem Grenzgebiet im Westen. Sie wohnten in Grenznähe, gingen meist einer beruflichen Beschäftigung nach und waren konspirativ für das MfS tätig. Zur Tarnung während ihres Einsatzes verfügten sie über die Uniform eines Grenzpolizisten (auf DDR-Territorium) und einen West-Ausweis (auf BRD-Territorium). Über einen bevorstehenden Einsatz wurden sie jeweils erst wenige Stunden vorher per Telefon informiert. Gleichzeitig wurden die offiziellen Grenztruppen aus dem betreffenden Gebiet abgezogen und durch MfS-Mitarbeiter ersetzt.

Die  Grenzschleusen der Auslandsaufklärung

Foto vom Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Das Bahnhofsgebäude erscheint nur in einem kleinen Ausschnitt im Bildhintergrund. Davor stehen Bäume und Sträucher. Davor ist ein kleines Häuschen abgebildet. Dabei handelt es sich um eine Grenzschleuse, über welche Mitarbeiter der Staatssicherheit das normale Ausreiseverfahren umgehen konnten. Vor dem Haus befinden sich zwei Menschen.

Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 und dem damit einhergehenden Ausbau der Grenzanlagen gestaltete sich die Nutzung der Grenzschleusen wesentlich schwieriger als zuvor. Ein breites Sperrgebiet aus Kontrollstreifen, Signalzäunen, Grenztürmen, Minenfeldern und Kolonnenwegen musste durchquert werden. Um den verminten Grenzstreifen gefahrlos passieren zu können, führte das MfS genaue Karten und Wegskizzen in seinen Akten.

Die stärkeren Grenzkontrollen machten vor allem auch den Agenten des Auslandsgeheimdienst HVA zu schaffen. Diese hatten weniger Probleme, durch die relativ harmlosen Kontrollen in der Bundesrepublik zu kommen als vielmehr die der eigenen Seite. Der Chef der HV A, Markus Wolf, ließ daher im Januar 1962 eine Arbeitsgruppe "Grenze" einrichten, aus der die Abteilung XVII ("Operative Grenzschleusen") entstehen sollte.

Zuletzt arbeiteten 70 hauptamtliche Mitarbeiter in sieben Referaten am Betrieb der Grenzschleusen entlang der Grenze. Die Referate arbeiteten von Berlin-Potsdam, Schönberg-Hagenow, Halberstadt, Eisenach, Meiningen, Sonneberg, Saalfeld und Plauen aus. Jedes Referat verfügte über rund zehn Schleusungsstellen, so im Bezirk Gera bei Brennersgrün, Lehesten, Schlegel und Rodacherbrunn. Die Schleusungsstellen erhielten eigene Decknamen.

Das IM-Netz für diese Schleusungsstellen der HV A umfasste zuletzt nicht nur weit über 100 DDR-, sondern auch 78 Bundesbürger, die zumeist in Bayern und West-Berlin tätig waren. Denn insbesondere war es der HV A wichtig, in Erfahrung zu bringen, wie Mitarbeiter des bundesdeutschen Grenzzolldienstes, des Bundesgrenzschutzes und der Bayerischen Grenzpolizei arbeiteten.

Bis Ende des Jahres 1989 nutzte der Staatssicherheitsdienst die Grenzschleusen, um Agenten zu Spezialeinsätzen in die Bundesrepublik Deutschland zu schicken. Reste des ehemaligen Grenzstreifen und des Eisernen Vorhangs sind heute noch gut im Landschaftsbild zu erkennen. Die geheimen Tore in den Westen hingegen haben sich schon bald nach der Wiedervereinigung in Luft aufgelöst.

Die Grenzschleusen "Wurzel" und "Zwerg"

Auf dem Großen Ehrenberg im Harz richtete die Hauptabteilung VIII/14 Mitte der 80er Jahre zwei neue Grenzschleusen ein, die zum zentralen "Schlupfloch" für die Agenten der Diensteinheit werden sollten. Gemeinsam mit den Verbindungsoffizieren der Hauptabteilung I wählten sie die Standorte aus, weil sie nach Einschätzung der MfS-Mitarbeiter einen idealen Platz darstellten, um Agenten durch die Grenzsicherungsanlagen zu schleusen. Die territorialen Bedingungen vor Ort waren günstig: Damals wie heute ist der Harz von dichten Wäldern, tiefen Tälern, wilden Flussläufen und Stauseen geprägt. Diese Gegebenheiten boten genügend Versteckmöglichkeiten.

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