Schwerpunkte des Aufstandes im Bezirk waren Cottbus selbst sowie Lübben, Lauchhammer, Hoyerswerda, Finsterwalde und Jessen. Ausgangspunkt des Aufstandes waren im Bezirk Cottbus vor allem die ländlichen Gebiete, Dörfer und Kleinstädte. Hier entzündete sich der Unmut der Bevölkerung nicht so sehr an der Erhöhung der Normen, die in Berlin Auslöser des Aufstandes waren. Wichtiger war den Protestierenden die Freilassung inhaftierter Bauern.

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Auf einer Demonstration wird ein Plakat mitgeführt, auf dem steht: "Absetzung der Kreisverwaltung"

Streiks und Demonstrationen in Industriebetrieben

Der Bezirk Cottbus entstand 1952 im Zuge der territorialen Neugliederung der DDR zusammen mit den Bezirken Potsdam und Frankfurt (Oder) aus dem Land Brandenburg. Er bestand größtenteils aus brandenburgischen Regionen, enthielt jedoch auch Teile der ehemaligen Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dazu gehörten Teile des Kreises Senftenberg ohne die Stadt Senftenberg, Hoyerswerda und Weißwasser ohne die Stadt Weißwasser aus Sachsen. Aus Sachsen-Anhalt kamen die Kreise Jessen, Herzberg und Bad Liebenwerda dazu.

In der Bezirksstadt Cottbus nahmen Streiks und Demonstrationen ihren Ausgang im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW). Dort bildeten die Arbeiter eine Streikleitung, die Aktionen mehrerer städtischer Betriebe koordinierte. Wie in Ost-Berlin auch, umfassten die Forderungen der Protestbewegung schnell auch politische Veränderungen. Die Streikenden und Demonstranten forderten den Rücktritt der DDR-Regierung, die Freilassung politischer Gefangener und freie Wahlen. Einen vom RAW ausgehenden Protestzug konnte das herbeigeeilte sowjetische Militär aufhalten und zerstreuen. Die Demonstranten sammelten sich jedoch erneut in der Cottbusser Innenstadt. Auch nach der Verhängung des Ausnahmezustandes blieben hier eine zeitlang große Menschenansammlungen beisammen.

Auch auf der Baustelle der Großkokerei Lauchhammer bildeten die Arbeiter eine Streikleitung. Auch hier kamen am Abend des 17. Juni Einheiten der sowjetischen Armee zum Einsatz. Sie sollten den Streik beenden, um die Brikett- und Koksproduktion zu sichern. Damit hatten sie nur bedingt Erfolg. In Lauchhammer hielt der Widerstand der Arbeiter vier weitere Tage an. Von den 6.000 Beschäftigten hatten am 23. Juni immer noch rund 800 Arbeiter die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Sie waren aus Protest schlicht in ihre Heimatorte gefahren.

Eine junge Frau bei der Arbeit in der Großkokerei Lauchhammer.

Aufstandsbewegungen auf dem Land

In den ländlichen Gebieten suchte sich der Aufstand ganz konkrete Ziele. In vielen Orten kam es zur Besetzung der Gemeindeämter. Viel schneller als in den Städten griffen die Protestierenden dorfbekannte Funktionäre an. Einige der ungeliebten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften lösten sich auf. Die Bauern traten einfach aus der als Zwangsgemeinschaft empfundenen Genossenschaft aus. Manche Dörfer machten sich geschlossen auf den Weg, um an Demonstrationen in den Städten teilzunehmen. In Jessen kam es zu einer Bauerndemonstration.

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Bauern saßen wegen Nichterfüllung der Abgabenormen oder nicht genehmigter Schlachtungen in Haft. Demonstranten erreichten die Freilassung der Gefangenen.

Die damalige Kreisstadt Jessen und ihre Umgebung waren 1953 ein Zentrum des Widerstandes der Bauern gegen Normerhöhungen und Repressalien. Besonders verärgert waren die Bewohner wegen der Festnahmen etlicher Nachbarn. Im Kreis Jessen saßen im Juni 1953 61 Bauern in Haft. Sie waren hauptsächlich wegen so genannter Wirtschaftsverbrechen in Haft. Dabei konnte es sich um die Nichterfüllung der Abgabenormen handeln oder nicht genehmigte Schlachtungen. Im Zuge des "Neuen Kurses" hatte die SED eigentlich versprochen, diese Gefangenen freigelassen. Bis zum 17. Juni war das jedoch noch nicht geschehen.

Demonstrierende nehmen die freigekämpften Bauern in Empfang.

Kundgebung der Bauern in Jessen

Zahlreiche Bauern aus umliegenden Dörfern machten sich deshalb am Vormittag des 17. Juni auf den Weg in die Kreisstadt. Viele Arbeiter der Jessener Betriebe und andere Einwohner schlossen sich an, sodass der Zug auf über 1.000 Personen anwuchs. In den Straßen wurden sämtliche Propagandaplakate heruntergerissen. Einige Demonstranten stellten aus Leisten und Tapeten Transparente her. Auf ihnen konnte man nun auch die politischen Forderungen lesen: "Freie und geheime Wahlen für alle Deutschen".

Auf dem Marktplatz der Kreisstadt trafen sie auf Mitglieder der SED-Kreisleitung. Von Ihnen forderten die Demonstrierenden freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland, Frieden, die Absetzung der Kreisverwaltung und die Freilassung der inhaftierten Bauern. Die SED kapitulierte. Angesichts der großen Zahl Demonstrierender und der aggressiver werdenden Stimmung erklärten sich die Funktionäre bereit, die Bauern freizulassen. Ein Fuhrunternehmer bot an, die Bauern mit seinen Lastwagen aus den Haftanstalten in Herzberg und Bad Liebenwerda abzuholen.

Am Nachmittag kamen die LKWs mit 30 freigelassenen Bäuerinnen und Bauern zurück. Jubelnd wurden sie auf dem Marktplatz empfangen, gemeinsam sangen die Menschen die dritte Strophe des Deutschlandliedes. Bald darauf rückten jedoch sowjetische Panzer in Jessen ein und beendeten die Kundgebung. 25 Personen wurden in den folgenden Tagen verhaftet. Unter ihnen befand sich auch der Drogist Paul Bernharend, der die Ereignisse in Jessen fotografiert hatte. Viele Bauern flüchteten anschließend in den Westen – zum Teil unter abenteuerlichen Umständen.

Literatur

  • Ciesla, Burghard: "Freiheit wollen wir!". Der 17. Juni 1953 in Brandenburg"
Publikation

17. Juni 1953: Volksaufstand in der DDR

Ursachen – Abläufe – Folgen

Im Buch wird anschaulich auf der Grundlage umfangreicher Quellenüberlieferungen die gesamte Breite des Volksaufstandes vom 17. Juni geschildert. In Fallstudien rekonstruiert der Autor die Geschehnisse in sämtlichen Regionen der DDR.

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