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Bundeskanzler Helmut Kohl (links) empfängt den DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker vor dem Bundeskanzleramt mit militärischen Ehren.

Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik vom 7. bis 11. September 1987

Am 7. September 1987 begann SED-Generalsekretär Erich Honecker seinen Arbeitsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland. Es war der erste Besuch eines DDR-Staatsoberhauptes im anderen Teil Deutschlands. Bereits vor dem Besuch sammelte die Stasi umfassende Informationen in der BRD und in der DDR, um politisch missliebige Aktionen vorbeugend abzuwehren.

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Ein politischer Erfolg für die DDR

Im Jahr 1987 besuchte erstmals in der Geschichte beider deutscher Staaten ein Staatsoberhaupt der DDR die Bundesrepublik. Für die DDR stellte dies einen prestigeträchtigen außenpolitischen Erfolg dar.

Am 15. Juli 1987 wurde gleichzeitig in den west- und ostdeutschen Medien der Besuch Erich Honeckers vom 7. bis 11. September 1987 in der Bundesrepublik angekündigt. Lange Zeit konnte sich die SED-Führung nicht sicher sein, ob der Besuch überhaupt stattfinden würde. Schließlich hatte er zuvor bereits dreimal abgesagt werden müssen, zuletzt auf sowjetischen Druck im Jahr 1984. Dieses Mal gab es Befürchtungen nicht nur hinsichtlich eines erneuten Einspruchs der Sowjetunion, sondern auch wegen einer kritischen, emotional aufgeladenen westdeutschen Öffentlichkeit.

Doch der wiederbelebte Abrüstungsdialog der Großmächte und der Staatsbesuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker in der Sowjetunion im Sommer 1987 hatten die Atmosphäre entspannt. Das sprach gegen ein sowjetisches Veto. Auch auf westdeutscher Seite sah man den Zeitpunkt als günstig an, stellte man doch seit zwei Jahren Besserungen im deutsch-deutschen Verhältnis fest, beispielsweise im Reiseverkehr, bei den Städtepartnerschaften und durch die Abschaffung der Todesstrafe in der DDR.

Die Stasi beschuldigte den Westen frühzeitig, den Besuch Honeckers für seine politischen Zwecke missbrauchen zu wollen und bereitete ihrerseits Maßnahmen vor.

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Zum Schutz Honeckers ergriff die Stasi im Rahmen der Aktion "Dialog 87" umfangreiche Sicherungsmaßnahmen:

Die Sicherheitsvorkehrungen im Befehl Nr. 12/87 erläuterte Stasi-Minister Erich Mielke ausführlich in einem Referat auf der erweiterten Kollegiumssitzung des MfS keine zwei Wochen vor Honeckers Besuch. Er sah die Stasi in der Verantwortung.

Auf der erweiterten Kollegiumssitzung des MfS am 27.08.1987 sprach Minister Erich Mielke über den in Kürze bevorstehenden Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik.

„Die Partei- und Staatsführung und der Generalsekretär persönlich erwarten von unserem Ministerium einen maximalen Beitrag um diesen Besuch zuverlässig zu sichern und die mit ihm verfolgten politischen Ziele zu einem vollen Erfolg werden zu lassen.“

Erich Mielke
Rede auf der erweiterten Kollegiumssitzung des MfS am 27.08.1987

Honeckers Besuch war kein offizieller Staats-, sondern nur ein "Arbeitsbesuch", jedoch begleitet von militärischen Ehren und dem Abspielen der Hymnen vor dem Bundeskanzleramt. Die protokollarische Gleichstellung Honeckers mit anderen ausländischen Gästen gleichen Ranges betrachtete die DDR-Führung als Anerkennung als gleichberechtigter deutscher Staat durch die Bundesrepublik. Sie diente in ihren Augen der irreversiblen Festschreibung kommunistischer Staatlichkeit in Deutschland und als Türöffner für Honecker und das SED-Regime in Paris, London und Washington.

Bundeskanzler Helmut Kohl (rechts) empfängt den DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker im Foyer des Bundeskanzleramts (Kirchner-Gemälde im Hintergrund).

Stimmung in der Bevölkerung

Vor, während und nach dem Honecker-Besuch in der Bundesrepublik verfasste die Staatssicherheit Berichte über die Stimmung in der DDR-Bevölkerung.

Bereits am ersten Tag des Besuchs hatte Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Rede noch einmal die Grundpositionen der Bundesrepublik deutlich gemacht und dabei sehr klare Worte zur offenen deutschen Frage und zum Ziel der Wiedervereinigung gefunden. Kohls Rede fand in einem Zwischenbericht der Stasi breite Beachtung.

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Ergebnisse des Treffens

Im Gemeinsamen Kommuniqué über den Arbeitsbesuch Honeckers fanden die von Kohl vorgetragenen Grundsätze keinen Platz. Die Staatssicherheit stellte bald fest, dass die BRD überprüfte, ob hinsichtlich einiger Zugeständnisse Worte und Taten der DDR-Führung übereinstimmten.

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Insgesamt konnten Vereinbarungen über den Ausbau der Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik erreicht und damit der DDR weiterhin finanzielle Leistungen und eine vorteilhafte Wirtschaftskooperation gesichert werden. Die Ergebnisse des Besuchs sollten die DDR aber bald vor Probleme stellen.

Erich Mielke war sich der neuen Herausforderungen bewusst, die diese Ergebnisse für sein Ministerium mit sich bringen würden. In seinem Referat auf der Kreisparteiaktivtagung zur Eröffnung des Parteilehrjahres und des FDJ-Studienjahres 1987/88 sprach er an, dass die weitere Entwicklung in den Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten auch für das MfS neue Herausforderungen und Probleme bringen werde. Entsprechend forderte Mielke noch mehr Einsatzbereitschaft, um den "Missbrauch des Ausbaus der Beziehungen durch den Gegner und feindlich-negative Kräfte im Innern zu verhindern", die auf Schwierigkeiten bei der "ideologischen Absicherung" der Ergebnisse des Honecker-Besuchs spekulierten (BStU, MfS, BdL/Dok, Nr. 8702, Bl. 70).

Die DDR-Medien berichteten über Honeckers Reise so umfassend wie nie zuvor. Sie gaben alle öffentlichen Äußerungen, auch die der bundesdeutschen Seite, ausführlich wieder. So wurde für die Bürgerinnen und Bürger in der DDR die unterschiedliche Gewichtung beider Seiten erkennbar. Während Bundeskanzler Kohl den Akzent deutlich auf "Deutschland" als Ganzes legte, thematisierte Honecker erwartungsgemäß vorwiegend Aspekte der Friedenssicherung.

Abschlussbericht und Fazit der Stasi

Laut Abschlussbericht registrierte die Stasi auch bei Systemträgern ein vermehrtes Interesse am Westen, weshalb bei konservativen Hardlinern die Angst vor "ideologischen Einbrüchen" zunahm.

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So blieb Mielke auch weiterhin überzeugt, dass die BRD das "revanchistische" Ziel verfolge, den Sozialismus in der DDR zu beseitigen.