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Blick auf das höher gelegene "Ringberghaus" in Suhl, das von winterlichem Nadelwald umgeben ist.

Dauergast im Ringberghaus

Im Jahr 1979 öffnete das Ringberghaus Suhl nach langwierigen Baumaßnahmen seine Türen. Über der damaligen Bezirksstadt thronend, diente der auf 750 Höhenmetern gelegene Bau, wie es offiziell hieß, als "Ferienobjekt der Genossenschaftsbauern und Werktätigen der sozialistischen Landwirtschaft". Bis zu 900 Urlauberinnen und Urlauber konnten hier untergebracht werden.

Zwischen 1975 und 1979 fanden die Baumaßnahmen unter großer Geheimhaltung statt. Der millionenschwere Prestigebau lag inmitten des Landschaftsschutzgebiets des Thüringer Waldes. Die felsige Kuppe des Ringberges musste weggesprengt und das Plateau anschließend mit schwerem Gerät erschlossen werden. Hierbei kam es zu massiven Eingriffen in die Umwelt.

Im damaligen DDR-Bezirk Suhl wurde deshalb Kritik laut, welche die Stasi minutiös dokumentierte. In der Folge berichtete das SED-Bezirksblatt "Freies Wort" weder über Grundsteinlegung, Baufortschritt noch über die Eröffnung. Es hielt sich an die durch die SED verordnete Nachrichtensperre. Die Machthaber befürchteten, es könnte sich noch mehr Kritik an dem Bau entfachen.

Nachdem das Ringberghaus fertig gestellt war, nutzten es das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR (MfLFN), der Zentralvorstand der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) sowie die landwirtschaftlichen Gremien des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) als Versammlungs- und Tagungsort. Regelmäßig besuchten es zudem ranghohe Vertreter der SED.

Jugendliche in Winterbekleidung beim Anschnallen ihrer Skier vor dem Ringberghaus in Suhl. Über dem Eingang des Gebäudes steht in Versalien: "Wir grüssen die Teilnehmer zum 26. Winterurlaub der Landjugend".

Bis 1989 war auch die Stasi Dauergast auf dem Ringberg. Unterlagen aus dem Suhler Stasi-Unterlagen-Archiv dokumentieren, wie die ostdeutsche Geheimpolizei dabei vorging.

Für das Ringberghaus war die Abteilung XVIII (Volkswirtschaft) der Suhler Bezirksverwaltung zuständig. Die Diensteinheit übernahm vielfältige Aufgaben: Stasi-Mitarbeiter nahmen Einfluss auf die Personalauswahl, beteiligten sich an Sicherheitsinspektionen im Haus, bereiteten Überwachungsmaßnahmen vor und sicherten Veranstaltungen ab.

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Darüber hinaus existierte im Ringberghaus ein umfangreiches Netzwerk von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und Gesellschaftlichen Mitarbeitern Sicherheit (GMS), das sich aus sämtlichen Hotelbereichen und Hierarchieebenen rekrutierte. Ein "operativer Mitarbeiter" der Abteilung XVIII der Suhler Bezirksverwaltung führte die IM und GMS und traf sie in konspirativen Zimmern oder in der näheren Umgebung. Die Informanten bespitzelten nicht nur anwesende Urlaubsgäste und Kollegen, sondern auch Handwerker und Lieferanten.

Ein Mitarbeiter aus der Leitungsebene des Hauses berichtete dem MfS über Kollegen und stellte die konspirativen Zimmer zur Verfügung. Im Jahr 1986 hielt die Stasi resümierend fest: "[Der Informant] wurde am 7.4.1978 geworben. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich das Ringberghaus im Aufbau. […] Ab Zeitpunkt der Werbung bis zur Fertigstellung des Ferienobjekts stellte er ein Wohnhaus (Haus 6) […] zur Nutzung zur Verfügung. Nach Eröffnung des Ferienobjekts wurden […] ständig Zimmer im Bettenhaus 1 oder 2 zur Verfügung gestellt... […] Darüber hinaus hat [er] das MfS bei der Bereitstellung von Übernachtungsmöglichkeiten und Ferienaufenthalten sehr gut unterstützt."

Für einen weiteren IM aus der Leitungsebene des Hauses listete das MfS folgende "Einsatzrichtungen" auf: "Ermittlung und Beobachtung, vorbeugende Sicherung und Aufklärung der leitenden Kader des Ringberghauses, Aufklärung und Verhinderung feindlicher Kontaktpolitik im Ringberghaus". Die durch den Inoffiziellen Mitarbeiter weitergeleiteten Informationen flossen in Operative Personenkontrollen (OPK) und Operative Vorgänge (OV).

Ein Kellner sollte in Erfahrung bringen, welche Arbeitskollegen möglicherweise einen Antrag auf Übersiedlung in die Bundesrepublik gestellt hatten. Ein Prüfingenieur bei der Technischen Überwachung im damaligen DDR-Bezirk Suhl informierte detailreich über die Inbetriebnahme einer durch eine West-Berliner Firma installierte Heizungsanlage. Ein technischer Mitarbeiter sollte die Stasi über mögliche Havarien und Störungen informieren.

Ein weiterer Spitzel aus dem gastronomischen Bereich überwachte seine Kollegen und berichtete über Veranstaltungen, Empfänge oder Engpässe in der Warenversorgung.

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Ein Ingenieur notierte für die Stasi zahlreiche Informationen über die Baudurchführung und die vielfältigen Schwierigkeiten vor der Inbetriebnahme 1979. Er hielt für seinen Führungsoffizier fest, dass es unter den Bauarbeitern Mutmaßungen und Gespräche gab, wonach die Stasi "im Objekt Ringberg ein besonderes Zimmer erhalten soll."

Zerrissenes Blatt mit der Zimmerbelegung im Ferienheim "Ringberghaus" Suhl.

Neben dem Führungsoffizier der Abteilung XVIII der Suhler Bezirksverwaltung waren weitere Stasi-Abteilungen im Ringberghaus tätig: So hörte die Abteilung 26 (Telefonkontrolle, Abhörmaßnahmen, Videoüberwachung) regelmäßig Telefongespräche ab (Maßnahme A). Die Abteilung N (Nachrichten) war für eine störungsfreie Telefonverbindung vom Ringberg zum Zentralvorstand des VdgB nach Ost-Berlin verantwortlich. Das Suhler Referat Personenschutz führte regelmäßig Inspektionen durch, um den "Schutz führender Repräsentanten der DDR und ihrer ausländischen Gäste" sicherzustellen. Bei Urlaubsgästen aus der Bundesrepublik kam eine Beobachtergruppe der Abteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung, Durchsuchung, Festnahme) sowie Mitarbeiter der Abteilung II (Spionageabwehr) im Ringberghaus zum Einsatz.