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Einsturzstelle unmittelbar nach der Havarie

Einsturz der Stauseebrücke Zeulenroda am 13. August 1973

Bei dem Einsturz der Stauseebrücke in der thüringischen Kleinstadt Zeulenroda wurden vier Arbeiter getötet und fünf schwer verletzt. Da sich das Unglück am 12. Jahrestag des Mauerbaus ereignete, vermuteten Volkspolizei und Staatssicherheit Sabotage als Ursache.

1971 beschloss der VIII. Parteitag der SED einen neuen Fünfjahrplan, der auch Auswirkungen auf die Kleinstadt Zeulenroda haben sollte. Durch den Anstau des Flüsschens Weida sollte die Trinkwassersituation für eine halbe Million Thüringerinnen und Thüringer verbessert werden. Notwendig wurde damit allerdings auch der Bau einer ca. 400m langen Brücke über den künftigen Stausee, um die Straßenverbindung nach Auma zu gewährleisten. Das war ein Prestigeobjekt der DDR bis zum nächsten Parteitag.

Das Projekt erarbeitete ein ehrgeiziger, engagierter Konstrukteur in einem Berliner Ingenieurbüro, der nach seinem Studium in Dresden bereits Erfahrungen an anderen Projekten gesammelt hatte. Die Stauseebrücke wurde erstmalig als Hohlkastenstahlbau im freien Vorbau über 20-30m hohe Stützpfeiler verlegt.

Am 13. August 1973 geschah das folgenschwere Unglück, bei dem vier Arbeiter getötet und fünf weitere Arbeiter zum Teil schwer verletzt wurden. Unter der Belastung des Kranes und des nächsten Teilstückes knickte der Brückenausleger nach dem ersten Pfeiler ab. Der Einsturz verursachte einen Sachschaden von mehr als 3,5 Mio. Mark.

Schwarz-Weiß-Bild der eingestürzten Stauseebrücke Zeulenroda

Hinzu kam, dass dieser Vorfall sich genau am Jahrestag des Mauerbaus ereignete. Staatssicherheit und Polizei vermuteten natürlich sofort Sabotage als Ursache des Unglücks. Der Konstrukteur, schon früher einer politisch-negativen Grundeinstellung bezichtigt, rückte in das Fadenkreuz der Stasi und der Staatsanwaltschaft. Man legte den operativen Vorgang "Konstrukteur" an und überwachte ihn mit vier Inoffiziellen Mitarbeitern (IM).

Am 30. November 1973 wurde er zur Vernehmung nach Gera bestellt und verhaftet. Die Staatsanwaltschaft sollte einen Schuldigen präsentieren. Der Verdächtige wurde in der U-Haft Amthorstraße isoliert untergebracht, Kontakte zu Anwälten wurden verweigert. Eine IM-Anwerbung für Hafterleichterungen im Gegenzug lehnte er ab. Zwischenzeitlich prüfte eine staatstreue Expertenkommission die Projektunterlagen. Da sich der Konstrukteur an die geltenden Vorschriften des Brückenbaus in der DDR gehalten hatte, konnten ihm nur kleine Unzulänglichkeiten angelastet werden.

Trotz intensiver Ermittlungen fand die Staatssicherheit keine Anhaltspunkte für Sabotage. Wider Willen hatte sie die Unschuld der beteiligten Personen bewiesen. Aber man brauchte Schuldige und verhandelte deshalb am 21. Mai 1974 in Gera gegen drei Angeklagte unter dem Vorwurf "Verletzung des Arbeitsschutzes". 300 Ingenieure der DDR wurden geladen, ein Exempel sollte statuiert werden. Ein Sachverständiger belastete den Konstrukteur mit kleineren Ungenauigkeiten in der Berechnung. Er erwähnte aber in keiner Weise die veralteten technischen Vorschriften, deren Anpassung nach internationalen Erfahrungen (siehe Anmerkung am Ende des Artikels) versäumt wurde.

Im Ergebnis verhängte man Haftstrafen bis zu zweieinhalb Jahren. Daraufhin solidarisierten sich Kollegen und Freunde, schrieben Eingaben, schickten Post an die Inhaftierten und unterstützten Angehörige finanziell. Unter dem entstandenen Druck wurde vom Gericht ein neues Gutachten zugelassen und der Prozess vor dem Obersten Gericht der DDR im September 1974 neu aufgerollt. Eine fairere Berufungsverhandlung mit dem Ziel, Ruhe unter das ingenieurtechnische Personal zu bringen, führte zur vorzeitigen Entlassung der Inhaftierten sowie zum Freispruch einschließlich Haftentschädigung. Die Brücke von Zeulenroda entwickelte sich damit zu einem Symbol der Überwindung des Unrechtes durch Mut und Solidarität.

Anmerkung:
1970 stürzten Brücken gleicher Bauweise in Melbourne und Milford Haven (England) ein. 1971 brach bei der Montage die Rheinbrücke in Koblenz zusammen. Auch bei diesen Unglücken gab es schon mehrfach Tote zu beklagen. Es wurde übereinstimmend festgestellt, dass die technischen Bestimmungen zwar eingehalten wurden, die hierin festgelegten Sicherheitsstandards jedoch nicht mehr ausreichend waren.