Direkt zum Seiteninhalt springen
Auf dem schwarzweißen Lichtbild ist ein Gleisstrang abgebildet, der zwischen dichter Vegetation verläuft. Im Vordergrund zwei Brückenpfeiler, zwischen denen die Bahnstrecke verläuft, zu sehen. Der linke Brückenpfeiler wurde mit der Losung "Freiheit für alle", der rechte Pfeiler mit "DDR 5 nach 12" in weißer Farbe beschriftet.

Gewalteskalation am Dresdner Hauptbahnhof

Tatortfotos und ein Video der Bezirksverwaltung Dresden zeigen die Zusammenstöße vom 4. Oktober 1989 am Dresdner Hauptbahnhof und dadurch entstandenen Schäden. Ausreisewillige hatten versucht auf die aus Prag kommenden Sonderzüge aufzuspringen, in denen die "Botschaftsbesetzer" in die Bundesrepublik gebracht wurden. Volkspolizei und  Stasi sollten das verhindern.

Zum Inhalt springen

Im September 1989 besetzten DDR-Bürger die bundesdeutschen Botschaften in Warschau, Prag sowie die Ständige Vertretung in Ost-Berlin. Sie versuchten auf diese Weise ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erzwingen. Am 30. September 1989 besuchte der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher die bundesdeutsche Botschaft in Prag. Er verkündete nach intensiven Verhandlungen mit der DDR-Führung, dass alle DDR-Flüchtlinge ausreisen könnten, die sich damals in Botschaften in Prag und Warschau aufhielten.

Infolge rollten ab 1. Oktober 1989 insgesamt 14 Sonderzüge mit Botschaftsflüchtlingen aus Prag über Dresden und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) ins bayerische Hof. Der DDR-Führung war es dabei wichtig, die Route so zu wählen, damit die Flüchtlinge die DDR auch über deren Grenze verließen. Bis zum 5. Oktober 1989 verließen auf diese Weise etwa zehntausend Menschen die DDR. Am Abend des 4. Oktober 1989 führte dies in Dresden zu teilweise gewaltsam verlaufenden Protesten.

 

In Dresden wollten Bürger den Bahnhof und auf die Gleise stürmen, um ebenfalls an Bord des Zuges zu gelangen. Dabei kam es zu Zusammenstößen zwischen Ausreisewilligen und Sicherheitskräften, bestehend aus Stasi und Volkspolizei.

Eine Fotoserie der Staatssicherheit dokumentiert die daraus resultierenden Sachschäden: zu Bruch gegangenes Inventar, darunter Fenster, Fahrkartenschalter und ein Kiosk und ein offenbar in Brand gesetztes Fahrzeug der DDR-Volkspolizei vor dem Bahnhof.

Video dokumentiert Eskalation

Ein Video der Bezirksverwaltung Dresden der Staatssicherheit dokumentiert die damals erfolgten Zerstörungen im Dresdener Hauptbahnhof ebenfalls. darüber hinaus zeigt der Film, wie die Situation im Bahnhof im Laufe des Abends eskalierte. Zu sehen ist beispielsweise auch das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Menschen im Bahnhof, deren "Freiheit, Freiheit"-Rufe zeitweise deutlich hörbar sind. 

Polizisten benutzten Wasserwerfer, um die Menschen aus dem inneren des Bahnhofs zu vertreiben. Einige von ihnen reagierten mit Gegengewalt. Demonstranten skandierten noch gegen Mitternacht lautstark Parolen.

 

Revolution bleibt friedlich

Insgesamt wurden über 1.300 Personen festgenommen. Die Dresdner Ereignisse wurden zum Startschuss der Revolution: Zum ersten und einzigen Mal in diesem Herbst kam es zu größerer Gewaltanwendung von beiden Seiten. Die Revolution stand am Scheideweg. Erst auf Initiative von Kirchenleuten wurde schließlich eine friedliche Lösung für den Konflikt gefunden. Mit Hans Modrow als 1. Bezirkssekretär der SED in Dresden stand den Demonstranten auf der anderen Seite ein Funktionär gegenüber, der nach einigem Zögern einen solchen Schlichtungsversuch auch ohne Billigung aus Ost-Berlin riskierte.

Der Leiter der Dresdner Staatssicherheit, Horst Böhm, war mit der neuen Linie nicht einverstanden und ganz entschieden dagegen, vor der Bürgerbewegung zurückzuweichen. Er missbilligte Modrows Kompromissbereitschaft. Wahrscheinlich hatte ihn Modrow gerade deshalb unmittelbar danach angewiesen, seine eigene Sicht der Ereignisse darzustellen. Das Ergebnis, die Sicht des vor Ort verantwortlichen Stasi-Funktionärs auf die erste Phase der Revolution, ist im nachfolgenden Dokument nachzulesen.

Dokument in der Stasi-Mediathek ansehen

In seinem Bericht stellte Böhm aber auch fest, dass die massiven Polizeieinsätze auch gegen friedliche Demonstranten die Sympathien für das Neue Forum noch erheblich verstärkten. Selbst "progressive Kräfte", also Anhänger des Regimes, würden zunehmend Zweifel daran äußern.

Tätlichkeiten von Demonstranten, wie am 4. Oktober in Dresden, blieben während des weiteren Verlaufs der Friedlichen Revolution in der DDR allerdings eine Ausnahme. Umso mehr wurde in den Folgetagen "Keine Gewalt!" DDR-weit zur wohl wichtigsten Losung der Protestbewegung gegen das SED-Regime.