Als die beiden Jugendlichen Olli Rübner und Tom Meier (Namen geändert) am 8. Dezember 1979 in den Zug stiegen, wollten sie weg von zu Hause, alle Probleme hinter sich lassen. Olli Rübner hatte seinen Freund überredet, im Grenzbereich bei Sorge im Harz die Grenze zu überwinden. Von Beneckenstein aus erreichten sie zu Fuß am Nachmittag einen Grenzsignalzaun und überwanden diesen.
Dabei lösten sie einen Alarm bei der für diesen Abschnitt zuständigen Grenzkompanie aus. Gegen 16 Uhr stellten Grenzsoldaten die beiden Schüler an der zweiten Grenzsicherungsanlage. Sie schossen – wie Olli Rübner berichtete – ohne Vorwarnung. Einer von insgesamt 51 abgegebenen Schüssen traf Tom Meier tödlich. Olli Rübner wurde festgenommen und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Stasi vertuschte den Fluchtversuch
Die Stasi übernahm die Ermittlungen in diesem Fall. Aktenauszüge aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv zeigen, wie die Geheimpolizei versuchte, die Erschießung des Jugendlichen an der Grenze zu vertuschen. Stasi-Mitarbeiter fälschten den Totenschein, verbreiteten Legenden über die Todesumstände und überwachten Familienangehörige, Freunde und Bekannte der Jugendlichen. Auch diejenigen Grenzsoldaten, die von dem Zwischenfall wussten, wurden zu strengstem Stillschweigen angehalten.
Aus Sicht des SED-Regimes und der Stasi galt es vor allem, eine Rufschädigung von der DDR abzuwenden, die ein Bekanntwerden des Falles nach sich gezogen hätte. Zudem durfte auch nach DDR-Recht nicht auf Jugendliche geschossen werden. Deshalb war die Stasi bestrebt, die Todesumstände Tom Meiers zu vertuschen. Selbst die Mutter des Jugendlichen wurde im Unklaren gelassen. Sie erhielt lediglich die Mitteilung, dass ihr Sohn in militärischem Sperrgebiet tödlich verunglückt war.
Olli Rübner verbüßte seine Strafe unter anderem in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfSMinisterium für Staatssicherheit
Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische...
) Roter Ochse in Halle (Saale) und später im Jugendhaus Dessau. Auch hier und nach seiner Haftzeit behielt die Stasi ihn im Auge. Spitzel achteten darauf, dass er sich an die ihm auferlegte Legende hielt, wegen Diebstahls eines Autos inhaftiert worden zu sein, und unterbanden Gesprächsversuche anderer Häftlinge zu diesem Thema.