Direkt zum Seiteninhalt springen
MfS-Lexikon

Funkaufklärung

Die Funkaufklärung entstand im Jahr 1966 als eigenständiges Arbeitsgebiet und bildete in der späteren Hauptabteilung III (Funkaufklärung und Funkabwehr) die Linie "Informationsgewinnung" mit dem Auftrag, Informationen aus wichtigen Bereichen der Bundesrepublik und Westberlins zu beschaffen. Zu diesem Zweck unterhielt man zahlreiche Funkaufklärungsstützpunkte, die Sender, Funkkanäle, Anschlüsse oder Nutzer im drahtlosen (Richtfunk, Mobilfunk, Satellitenfunk) wie kabelgebundenen Fernmeldeverkehr abhörten.

Schon seit Beginn der 70er Jahre bildete der Richtfunkverkehr zwischen Westberlin und der Bundesrepublik für die Funkaufklärung eine hochwertige Abhörquelle. Wenig später erweiterten sich ihre Möglichkeiten durch die Einrichtung von Horchplätzen in den Botschaften bzw. Handelsmissionen der DDR und UdSSR in Köln, Bonn und Düsseldorf, von denen aus die Richtfunkübermittlungen im politisch wichtigen Großraum Köln-Bonn mitgehört werden konnten.

Zudem wurden Informationen von Richtfunkkanälen, die im Süden der Bundesrepublik verliefen, mittels dreier Stützpunkte an der Grenze zu Bayern auf dem Gebiet der ČSSR und zweier Abhörstationen in den Vertretungen der DDR und der ČSSR in Wien abgegriffen. Schließlich bestand für den Zugriff auf den Richtfunkverkehr des NATO-Hauptquartiers ein Stützpunkt in der Botschaft der DDR in Brüssel. Auch Richtfunkübertragungen zwischen der Bundesrepublik und Westberlin wurden von Stützpunkten der Funkaufklärung innerhalb der DDR abgehört.

Einen Schwerpunkt in der Abhörpraxis seit 1966 bildeten auch die UKW-Funknetze der Sicherheits- und Grenzdienstbehörden der Bundesrepublik und Westberlins. Diese Funkkanäle wurden - unter Einbeziehung der NVA-Grenzaufklärung - von UKW-Funkaufklärungsstützpunkten am innerdeutschen Grenzverlauf, in Ostberlin und in der ČSSR überwacht.

Eine ergiebige Quelle der Funkaufklärung der HA III war auch der westliche Autotelefonverkehr, der von Stützpunkten entlang der innerdeutschen Grenze, in einem Gürtel um Berlin und außerhalb der DDR abgeschöpft wurde. Dabei überwachte man die Autotelefone zahlreicher Persönlichkeiten aus Politik, Militär und Wirtschaft mit dem Verfahren der Operativen Zielkontrolle.

Seit Beginn der 80er Jahre hörte man von einem Stützpunkt nördlich von Berlin aus auch Satellitenfunkverbindungen ab. Und seit 1985 erfolgte der Zugriff auf ISDN - dienstintegrierendes digitales Fernmeldenetz- und Datennetze wie auf alle neuen elektronischen Medien, die auf die Übertragung, Speicherung und Wiedergabe von Informationen ausgelegt waren.

Andreas Schmidt

[Das farbige Lichtbild ist ein Ausschnitt aus einer Fotodokumentation. Zu sehen ist ein Bürosessel vor technischen Geräten zur Funkaufklärung, eingebaut in zwei hohe und zwei mittelhohe Schränke. Aufgrund des Farbausfalls hat das Positiv einen Rotstich.]