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Roland Jahn zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde

Der Bundesbeauftragte Roland Jahn im Gespräch mit Andreas Knaesche im rbb-Kulturradio / Kultur aktuell am 7. Juli 2017

Anderthalb Jahre hat eine Expertenkommission über dem Umbau der Stasi-Unterlagenbehörde gebrütet. Sie schlug unter anderem vor, dass die Akten ins Bundesarchiv überführt werden sollen. Doch die große Koalition hat erst einmal nicht vor, die Empfehlungen der Kommission umzusetzen. Bleibt alles beim Alten? Das fragen wir den Behördenchef Roland Jahn.

Herr Jahn Sie wurden nach monatelangem Hin und Her in der Behörde, die Sie kommissarisch in der Zwischenzeit geleitet haben, wieder gewählt. Bleibt jetzt für die nächsten Jahre alles beim Alten? War das Ganze ein Sturm im Wasserglas?

Jahn: Nein, der Bundestag hat ja auch ein Beschluss gefasst, die Aufarbeitung der SED-Diktatur konsequent fortzuführen. Das ist schon eine klare deutliche Aussage, dass es darum geht, hier zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Ich bin jetzt beauftragt, gemeinsam mit dem Bundesarchiv ein Konzept zu entwickeln zur Überführung des Stasi-Unterlagenarchivs unter das Dach des Bundesarchivs.

Aber genau um so eine Zukunftsfähigkeit ging es doch bei der Beratung der Expertenkommission, worüber haben die denn anderthalb Jahre beraten, wenn jetzt das alles in den Papierkorb wandern soll?

Jahn: Das ist nicht in einem Papierkorb, sondern der Bundestag hat gesagt: Wir wollen das ganz in Ruhe machen, es geht darum, hier wirklich besonnen Entscheidungen zu treffen. Und es ist wichtig zu beachten, dass es hier um ein Symbol geht. Das ist eine Errungenschaft der Friedlichen Revolution in der DDR, diese Möglichkeit, diese Geheimpolizeiakten zu nutzen. Hier geht es nicht um Akten alleine, sondern um Menschen und ihre Schicksale - und das spielt dabei immer eine ganz große Rolle.

Wenn Sie sagen es geht darum, irgendwann die Akten in das Bundesarchiv zu überführen, das wurde ja sehr kritisiert gerade auch von Opferverbänden, die gesagt haben, da wird vielleicht auch ein Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung gezogen.

Jahn: Ja, das ist wichtig hier nochmal deutlich zu machen: Es geht nicht um irgendwelche Schlussstriche, sondern es geht darum, die Professionalisierung voran zu treiben, dafür Sorge zu tragen, dass hier archivgerechte Lagerung das heißt, klimatisierte Räume gewährleistet wird…

…das haben Sie im Moment nicht?

Jahn: Dies ist in den Außenstellen nicht vorhanden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Akten nicht kaputt gehen, sondern, dass sie dauerhaft als Gedächtnis der Nation vorhanden sind.

Und das Bundesarchiv würde dafür die Voraussetzungen bieten?

Jahn: Das ist nicht die Frage der strukturellen Anbindung, sondern es ist die Frage, dass wir hier die Kräfte des Bundes insgesamt bündeln, das wir hier an den Punkten, an denen es gerade auch um technische Weiterentwicklung geht, dass wir hier die Möglichkeiten gemeinsam beraten, wie das am besten funktioniert. Schauen Sie: Wir müssen uns der Digitalisierung stellen, es geht darum, Rechercheportale zu schaffen für Wissenschaftler, für Journalisten, die dann auch erkunden können, wie kommen sie an die Akten heran, welche Themen können sie wie recherchieren. Das sind ja alles Fragen, wo wir auch ein modernes Archiv erstellen müssen und dafür sorgen müssen, dass auch eine Personalentwicklung stattfindet, Archivare ausbilden. Wie können wir das am besten machen, da kann nicht jeder eine Insellösung suchen, sondern da sind die Archive des Bundes insgesamt gefragt.

Gibt es auch eine inhaltliche Fortentwickelung, vielleicht ein bisschen weg davon? Wie viele Anfragen gibt es denn da eigentlich noch nach den Stasi-Akten? Das werden ja immer weniger wahrscheinlich im Laufe der Zeit?

Jahn: Wir haben nach wie vor eine hohe Anzahl von Anträgen zur persönlichen Akteneinsicht, ca. 4.000 jeden Monat noch. Was mir aber insgesamt wichtig ist, ist, dass wir weg kommen von dieser Fixierung auf das Thema Staatssicherheit, dass wir die Betrachtung der SED-Diktatur in einer Art und Weise vornehmen, wo wir auch alle Facetten mitbetrachten und wirklich auch den Alltag in der DDR nachvollziehen können. Da ist es natürlich gut, wenn wir die Möglichkeiten schaffen, auch die anderen Akten einzubeziehen die im Bundesarchiv liegen, die Polizeiakten, die Strafvollzugsakten, die Volksbildungsakten. Das ist ja alles dort im Bundesarchiv vorhanden und hier den übergeordneten Blick darauf zu werfen, das ist - denke ich - eine große Chance, hier doch auch der nächsten Generation Angebote zu machen, dass sie begreifen kann, wie diese Diktatur funktioniert hat.

Wie wollen Sie das konkret machen, also wie soll das alles funktionieren?

Jahn: Also wichtig ist, dass man nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger kommt, sondern, dass die Angebote so sind, dass die jungen Menschen sich in Bezug setzen können. Das geschieht aus unserer Erfahrung besonders gut an den historischen Orten, wo die Möglichkeit besteht, dort vor Ort authentisch wahrzunehmen, was Diktatur auch bedeutet hat. Gerade auch am Ort der Schreibtischtäter der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin lässt sich die Frage stellen: Wie hättest du dich entschieden? Wie wird eine Sekretärin zur Sekretärin der Stasi? Warum hat sie das gemacht? Das sind ja alles Fragen, die Menschen beschäftigen, wo auch die Brücke in die Gegenwart ist. Die individuelle Verantwortung für das eigene Handeln. Das ist die entscheidende Frage. Und da gelingt es auch immer wieder, wenn das auch an historischen Orten vermittelt wird, die Jugendlichen zu öffnen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Andreas Knaesche