Spätfolgen: Die Angst der Staatsmacht vor dem 17. Juni
In den Darstellungen der SED-Propaganda wurde der 17. Juni als ein von westlichen Provokateuren gesteuerter faschistischer Putschversuch diffamiert. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Ereignis an den Schulen und in der Öffentlichkeit der DDR war tabu. Für die Regierenden in der DDR war der Aufstand ein Trauma, das bis 1989 anhielt. Deshalb wurden selbst kleinste Äußerungen über den 17. Juni vom MfS während der folgenden 36 Jahre mit größter Aufmerksamkeit bedacht. Allein das Datum bewirkte jedes Jahr hektische Aktivitäten von SED und Staatssicherheit.
Tatsächlich lebte der 17. Juni in den Köpfen vieler Menschen als Zeichen der Hoffnung weiter. Der Aufstand gegen das SED-Regime galt auch als Symbol des Freiheitswillens weit über das Jahr 1953 hinaus. In der DDR waren nicht nur Anpassung oder Mitmachen, Befehlsausgabe oder Befehlsausführung anwesend, sondern auch viele Formen der Verweigerung, des Ungehorsams, der Aufmüpfigkeit gegen die Obrigkeit bis hin zu Widerstand und Opposition. Einige Menschen hatten sogar den Mut, mit Aktionen an das Datum 17. Juni zu erinnern und damit das System in Frage zu stellen.
In der Nacht vom 16. zum 17. März 1968 wurden in der Nähe der Orte Staakow und Rietzneuendorf im Kreis Lübben von Unbekannten Sprüche an die Pfeiler einer Autobahnbrücke geschrieben. Das MfS beurteilte die Schriftzüge als staatsgefährdende "Hetzlosungen" und begann mit intensiven Ermittlungen. Für die vierwöchigen Ermittlungen der Kreisdienststelle (KDKreisdienststelle
Die KD waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren...
) für Staatssicherheit Lübben wurde ein umfangreicher Maßnahmeplan aufgestellt. Unterstützt wurde die KD durch Einsatzgruppen der BezirksverwaltungBezirksverwaltung
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf...
(BV) für Staatssicherheit, eine Spezialkommission der BV Cottbus sowie drei weitere Einsatzgruppen der Kreisdienststelle.
Im Rahmen der Ermittlungen wurde ein daktyloskopisches Gutachten erstellt. Dazu wurden von etlichen Bürgern Schriftproben genommen oder deren Anträge auf Personalausweise für Schriftvergleiche herangezogen. Auch ein Fährtensuchhund kam zum Einsatz. Insgesamt waren mehr als zehn IMInoffizieller Mitarbeiter
Inoffizielle Mitarbeiter waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit...
eingesetzt, darunter die IM "Waldläufer", "von Graf", "Köpcke", "Kiefer", "Schmidt", "Maria", "Uschi" und "Maler". Eine Vielzahl von Bürgern der Gemeinden Staakow, Rietzneuendorf, Märkisch-Buchholz, Briesen-Staakmühle, Friedrichshof und Goißen wurden überprüft oder verhört. Aus den Unterlagen des MfS geht jedoch letztendlich nicht hervor, ob die Ermittlungen zu einem Ergebnis führten.