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Auf dem Podium sitzen von links nach rechts: Birgit Wentzien, Joachim Gauck, Susanne Schädlich, Prof. Dr. Michael Hollmann und Prof. Dr. Johannes Weberling
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Das Unmögliche ermöglichen. 30 Jahre Stasi-Unterlagen-Gesetz

"Das Unmögliche ermöglichen": 30 Jahre nach Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ist in der Stasi-Zentrale. Campus für Demokratie eine Zwischenbilanz gezogen worden. Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien moderierte eine Podiumsdiskussion, in der es um die Entstehung des Gesetzes ging, um die Herausforderungen es anzuwenden und um Fragen der Zukunft.

Wie gelang die Abwägung zwischen dem Schutz persönlicher Daten und dem Bedürfnis nach Aufklärung von staatlich begangenem Unrecht etwa in Fragen der Offenlegung von IM-Tätigkeiten oder der Rehabilitierung von Opfern? Welche Erfahrungen wurden mit dem Zugang gemacht, welche Hoffnungen und Befürchtungen bestätigten sich? Und was sollen nachfolgende Generationen mit diesen Akten anfangen?

Alexandra Titze, Vizepräsidentin des Bundesarchivs für das Stasi-Unterlagen-Archiv, sagte zur Begrüßung, dass das besondere Gesetz damals einige Hürden habe nehmen müssen vor seinem Inkrafttreten.

Joachim Gauck, Bundespräsident a.D. und erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, erinnerte daran, dass die Menschen in der DDR 1989/90 die Angst vor dem Unterdrückungsregime verloren und am Ende auch die Stasi-Akten gesichert hatten. Es sei wichtig gewesen, dass hier Aufarbeitung begonnen habe und kein Schlussstrich gezogen worden sei.

„Schlussstrich ist immer gut für die, die oben waren, und schlecht für alle anderen.“

Joachim Gauck
Bundespräsident a.D. und erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen

Bundesarchiv-Präsident Prof. Dr. Michael Hollmann hob hevor, wie wichtig es sei, dass die Überlieferung aus der DDR nun in ihrer Gesamtheit zum Bundesarchiv gehöre und hier parallel recherchiert werden könne. Mit Blick auf das Sichern der Unterlagen und dem Schaffen des Aktenzugangs vor 30 Jahren sagte er:

„Es gibt eine Neigung, nach dem Ende von Diktaturen einen Deckel drauf zu machen - es ist bemerkenswert, dass es hier gelungen ist, die Unterlagen zu bewahren.“

Prof. Dr. Michael Hollmann
Präsident des Bundesarchivs

Susanne Schädlich, Schriftstellerin, deren Vater 1992 als einer der ersten seine Stasi-Akte einsehen konnte und vom Verrat durch den eigenen Bruder erfuhr, berichtete davon, dass die DDR-Geheimpolizei ihre Familie und sie auch in Westdeutschland überwachte:

„Auch als wir im Westen waren, gab es Vorfälle, die auf die Stasi zurückzuführen waren - es sollte uns gezeigt werden: Wir sind nicht weg!“

Susanne Schädlich
Schriftstellerin

Prof. Dr. Johannes Weberling, Fachanwalt und Historiker, erläuterte seine Motivation, vor 30 Jahren das Thema Stasi-Unterlagen für sich entdeckt zu haben. Er habe einen Beitrag dazu leisten wollen, dass sich Fehler der nicht vorhandenen Aufarbeitung der NS-Diktatur nicht wiederholten. Mit Blick auf die Zukunft sagte er:

„Zu unserem Selbstverständnis muss es gehören, dass über die Stasi-Akten in Schule und Hochschule gesprochen wird.“

Prof. Dr. Johannes Weberling
Jurist und Experte des Stasi-Unterlagen-Gesetzes

Der Deutschlandfunk überträgt das Gespräch am 24.11.2021 um 19.15 Uhr in einer 45-Minuten-Fassung in der Sendung "Zur Diskussion" und stellt sie anschließend in der Dlf Audiothek App bereit.